Ein Bericht zum Kongress 2012
„Keiner hat das Recht zu gehorchen“
Beiträge zu einer KybernEthik systemisch-pädagogischen Handelns.
DGsP e. V. Kongress vom 26.10.-28.10.12 in Siedelsbrunn, Wald-Michelbach
Die „Deutsche Gesellschaft für systemische Pädagogik e. V.“ hatte – nach ihrer 4. Fachtagung am 12.-14. März 2004 in der Fachklinik am Hardberg, Wald-Michelbach (Siedelsbrunn) „Demokratisierung des Erlebens – hypnosystemische Anregungen für den pädagogischen Raum“ – erneut nach Siedelsbrunn eingeladen – diesmal in die Räume der sysTelios-Klinik in Siedelsbrunn.
Das provozierende – und auch sperrige – Thema: „Keiner hat das Recht zu gehorchen. Beiträge zu einer KybernEthik systemisch-pädagogischen Handelns“ hatte immerhin nahezu 200 in pädagogischen aber auch sonstigen Kontexten Arbeitende angezogen, die sich intensiv mit dem Kongressthema in diesen drei Tagen auseinandergesetzt haben.
In die Thematik des Kongresses führte die Vorsitzende der DGsP e. V., zugleich Geschäftsführerin der sysTelios Klinik, Dipl.-Päd. Mechthild Reinhard ein. In einem anschließenden ersten Dialog setzten sich Prof. Winfried Palmowski, Universität Erfurt, und Prof. Rolf Arnold, Universität Kaiserslautern, mit dem Zitat der jüdischen Philosophin Hannah Arendt auseinander, „Keiner hat nach Kant das Recht zu gehorchen“ und deren Ausführungen zum Eichmann Prozess und der „Banalität des Bösen“, in dessen Kontext das Zitat in einem Gespräch mit J. Fest entstand. Einig waren sich beide darin, dass die heutige Diskussion um den Begriff der Disziplin in der aktuellen pädagogischen Diskussion, hinter den Anspruch Hannah Arendts nicht mehr zurück kann.
In einem ‚Tetralog‘ zwischen Prof. Dr. Tobias Häberlein, Hochschule Albstadt-Sigmaringen, Prof. Dr. Walter Spiess, emeritierter Prof. der Universität Flensburg, Prof. Dr. Kersten Reich, Universität Köln, und Mechthild Reinhard wurden weitere Aspekte des Themas erörtert: So betonte Prof. Dr. Kersten Reich, dass neben allem systemisch-konstruktivistischem, prozesshaftem Denken dennoch auch immer ein Inhalt mitgedacht werden muss, der auch zu Grenzziehungen einlädt. Nicht jede konstruierte Welt ist eine ethisch zu wünschende: Heinz von Foersters ethischer Imperativ: „Handle stets so, dass die Zahl der Möglichkeiten wächst“ bietet, neben Kants Verweis auf die Autonomie des Einzelnen, auf die Hannah Arendts Ausspruch verweist, einen weiteren Ansatzpunkt für ethisch vertretbares, pädagogisches Handeln. Dr. Gunther Schmidts Vortrag zum Thema „Was wird gebraucht für Metaloge?“ bündelte noch einmal die bis dahin erörterten Ausführungen und stellte die Bedeutung des Metalogs als zentrale Voraussetzung für achtungsvolle Begegnungen bei bleibender Unterschiedlichkeit heraus.
Zwischen den Vorträgen hatten die Teilnehmer des Kongresses Gelegenheit, sich zwischen zahlreichen Workshops zu diversen pädagogischen Themen zu entscheiden: Aufstand der Zappelphilippe (Manfred Blatt) ging der Frage nach einem anderen Blickwinkel bei der Begegnung mit sogenannten ADHS-Kindern nach, Andrea Eitel beschäftigte sich in ihrem Workshop mit der Frage, inwieweit Beschreibungen und Zuschreibungen, wie sie in Kitas und entsprechenden Einrichtungen ‚üblich‘ sind, sich auf die Beteiligten auswirken. Mit dem Thema „Angst vor der Angst“ beschäftigte sich Rainer Hölzle, Holger Lindig lud ein, sich mit Fragen der Bildungsund Erziehungspartnerschaft am Beispiel der Eltern auseinanderzusetzen, Gertrud Graf stellte ihre Erfahrungen an einer Schule in Berlin Moabit des soziokulturellen Miteinanders vor. Der Platz fehlt, um alle 28 Workshops zu beschreiben – doch gerade die Vielfalt der Themen, die Einladung zum Perspektivenwechsel – für den bildhaft und konkret nicht nur die überall vorhandenen Leitern einluden, waren mitverantwortlich für den Erfolg des Kongresses: darin waren sich alle Beteiligten, Veranstalter und Besucher einig.
In einem Grußwort des Ortsvorstehers war auf die langjährige Geschichte Siedelsbrunns als Luftkurort verwiesen worden – und nicht nur der Schnee, der dem Kongress eine winterliche Atmosphäre verlieh, sondern auch der gute Geist der Klinik sysTelios und all derer, die bei der Vorbereitung und Durchführung des Kongresses geholfen haben, trugen ganz wesentlich zum Gelingen bei. Die Hauptverantwortung lag bei der Leitung der Geschäftsstelle der DGsP, die seit Januar des Jahres in der Weinheimer Straße in Siedelsbrunn ihren Sitz unter der Leitung von Ariane de Graaf hat, die im Wesentlichen zur reibungslosen Organisation der Tagung beigetragen hat.
Sozusagen Ehrengäste des Kongresses waren Dr. Helm Stierlin und seine Frau Dr. Satualia Stierlin, die in vielfältiger Hinsicht als geistige ‚Eltern‘ systemischen Denkens in Deutschland angesehen werden können.
Sonntag Mittag endete der Kongress mit einem Workshop durch Tobias Voss und seine Mitarbeiter, die interaktionistische Spiele und pädagogische Trainingstools ihrer Firma Metalog vorstellten – und mit den Teilnehmern ‚erprobten‘.
In zwei Jahren soll der Kongress – wieder in Siedelsbrunn – ‚fortgesetzt‘ werden.
Fotos: Sinan Yaman, Bochum
Text: Rainer Hölzle, Karlsruhe